Das hat grundsätzlich mit Führung zu tun. Eine Kunst ist es, von der Führungsseite her mit Widerstand umzugehen. Und genau damit gibt es in der Praxis Schwierigkeiten, da genau in diesem Bereich Defizite bestehen. Laut gängiger Fachliteratur (insbesondere Dietmar Vahs Vahs, D. (2015): Organisation. 9. Auflage, Schäffer-Poeschel, Stuttgart, S. 332.) sind das unter anderem folgende:
- Defizite in der Unternehmenskultur:
Das Werte- und Zielsystem des Unternehmens ist nicht kompatibel mit dem Werte- und Zielsystem der Mitarbeitenden. Die daraus resultierenden Vorbehalte werden nicht erkannt.
- Defizite im gemeinsamen Verständnis von Problembehandlungen - fehlende Klarheit
Es bestehen unterschiedliche Erwartungen daran, wie im Change auftretende Probleme gelöst werden. Die daraus entstehenden Unsicherheiten und Ängste werden übersehen
- Defizite in Information und Kommunikation
Der Informationsstand der betroffenen Mitarbeiter muss zu jedem Zeitpunkt und ohne Einschränkung transparent und vollständig sein - ist es aber nicht.
- Vertrauensdefizite
Es fehlt das Vertrauen zu den Initiatoren und Treibern des Changes sowie in die zur Verfügung gestellten Informationen - siehe weiter oben.
- Partizipationsdefizite
Wenn spontan Änderungen im Führungsstil (partizipativ oder transformational statt hierarchisch) auftauchen und die Mitarbeitenden damit nicht vertraut sind, kann es sein, dass sie nicht glauben, dass ihre Partizipation ernsthaft und aufrichtig gemeint ist.
- Defizite in der Belastungsargumentation
Wenn mit der zusätzlichen physischen und psychischen Belastung im Change in Verbindung mit den von den Beteiligten empfundenen Bedrohungen nicht adäquat umgegangen wird (z.B. Angst vor Sicherheits- oder Prestige- oder Arbeitsplatzverlust)
Lässt sich Change überhaupt beherrschen?
All das liest sich nun so, als wäre Change und Change Management ein Ding der Unmöglichkeit. Das ist aber mitnichten so, denn im Prinzip ist es recht einfach, günstige Voraussetzungen für alle Change-Projekte zu schaffen. Dabei hilft das folgende Modell - und die Bereitschaft dazu etwas an sich selbst, in der Führung, der Kommunikation und schließlich in der Kultur zu verändern.
Bedürfnisse und Treiber - ein gutes Erklärungsmodell
Man kann sich den Change insgesamt einfacher machen, wenn man die Bedürfnisse und Motive der Beteiligten kennt und ein fruchtbares Umfeld dafür schafft. Dafür bietet sich ein Modell besonders an. Erstens, weil es recht plastisch ist, zweitens, weil es erprobt ist und insbesondere Microsoft damit gute Erfahrungen gemacht hat. Aber keine Angst, Sie müssen nicht Microsoft sein… Das SCARF-Modell ist auch für kleine Unternehmen eine hilfreiche Angelegenheit.
Es geht zurück auf die Arbeit von David Rock und seinem Team. Sie identifizierten 5 Faktoren oder Bedürfnisse, die maßgebliche Auswirkungen auf Teamarbeit und Kooperation haben. Werden diese Bedürfnisse bedroht bzw. fühlt sich ein Mitarbeitender in diesen Bedürfnissen bedroht, reagiert er mit Widerstand. Werden diese Bedürfnisse gefördert und unterstützt, steigt die Kooperationsbereitschaft, der Teamgeist und er oder sie bringt leichter das vorhandene Potenzial in den Prozess mit ein.
- Status
Wie wichtig und angesehen bin ich? Wie wichtig und angesehen fühle ich mich im Vergleich zu anderen? Wo stehe ich hierarchisch?
Der Status kann als bedroht empfunden werden durch „gute gemeinte“ Ratschläge und Anweisungen und als „konstruktives“ Feedback getarnte Kritik.
- Certainty (Sicherheit)
Kann ich Verhalten (der Führungskräfte und anderer) oder Situationen sicher vorhersagen? Eine Bedrohung kommt insbesondere durch unvollständige oder falsche Informationen zustande.
- Autonomy (Autonomie)
Habe ich das Gefühl, Dinge (selbst) kontrollieren zu können? Kontrolle von außen und insbesondere anhaltender Stress können hier als Bedrohung empfunden werden.
- Relatedness (Zugehörigkeit)
Fühle ich mich mit meinem Umfeld verbunden? Häufige Versetzungen, hohe Fluktuation, Nicht-Einladung zu Meetings oder Firmenevents können das Gefühl der Zugehörigkeit beeinträchtigen.
- Fairness
Fühle ich mich von anderen Menschen (Führungskräfte, Kollegen) fair behandelt? Das betrifft unterschiedliche Beurteilungen, Bevorzugungen und ähnliche Sachverhalte.
Wie wichtig und einflussreich das jeweilige Bedürfnis ist, ist individuell sehr unterschiedlich. Es gibt kein allgemeingültig anwendbares Schema - die Führungskraft und ihre sogenannten Soft Skills sind also gefragt, wenn es darum geht ein veränderungsfreudiges, vertrauensvolles und kooperationsförderndes Umfeld zu schaffen.
Dann klappt es auch mit der Digitalisierung - die Erfolgswahrscheinlichkeit steigt. Von den positiven Effekten im Allgemeinen ganz zu schweigen.
Future Skills - Führungskompetenzen für morgen
Aus den Erkenntnissen des SCARF-Modells lassen sich einige wertvolle Ansätze für Führungskompetenz ableiten, welche den Change erleichtern, den Mitarbeitenden den besten Rahmen für Kooperation und Produktivität schaffen und ein über den Change hinaus erfolgreicheres Unternehmen zu gestalten. Ein Unternehmen, dass sich in VUCA- und BANI-Zeiten als resilient und antifragil erweisen wird.
Diese Skills oder Erfolgsfaktoren sind aus unserer Sicht insbesondere
- Eine flexible und agile Geisteshaltung
…auch Mindset genannt. Ein sogenannter veränderungspositiver und gestaltender Growth Mindset ist im Gegensatz zu einem starren, bewahrenden oder Fixed Mindset die bessere Voraussetzung für einen erfolgreichen Change - und für Kreativität und Innovationen.
- Ambidextrie
Auch bekannt als Beidhändigkeit. Damit ist originär gemeint, dass eine Person gleichermaßen gut mit der rechten, wie mit der linken Hand arbeiten kann. Im Change- und Führungskontext bedeutet Ambidextrie, dass eine Führungsperson sich flexibel und kontextabhängig zwischen Bewahren und Zerstören bewegen kann - und in der Lage ist zu erkennen, ob es sich um bewahrenswerte Prozesse, Technologien oder Märkte handelt, oder, ob diese abgelöst werden müssen.
- Ambiguitätstoleranz
Ein sperriger Begriff, der jedoch gerade in einer Welt der Widersprüchlichkeiten zu einem wichtigen Persönlichkeitsmerkmal wird: Die Fähigkeit, (positiv) mit vermeintlichen Widersprüchen umzugehen.
- Herausragende kommunikative Fähigkeiten
Gute kommunikative Fähigkeiten beziehen sich nicht nur auf den schriftlichen oder sprachlichen Ausdruck in Texten und Präsentationen. Zu guter Kommunikation gehört es gut zuhören und gut Fragen zu können. Warum? Ich erfahre nur dann etwas über meine Mitarbeitenden oder mein Team, wenn ich ihnen zuhöre und sie wirklich verstehe - was nicht immer auf Anhieb gelingt. Gutes Fragen und aktives Zuhören kann sehr gut praktiziert und trainiert werden.
- Fehlerkultur und Vertrauen
Vertrauen und eine gute Fehlerkultur sind in Teilen sowohl das Ergebnis der oben genannten Skills als auch Ursache. Das Vertrauen (oder die Sicherheit) kennen wir aus dem SCARF-Modell. Vertrauen macht Mut, Neues auszuprobieren. Das ist in volatilen Umfeldern überlebensnotwendig, speziell wenn wir aus diesen Fehlern lernen können und dürfen.
Fazit
Change beginnt im Kopf. Gute Führung und weitsichtige Führungskräfte und Entscheider können bei sich beginnen und vorbildhaft vorangehen. Das wirkt auf die Mitarbeitenden in positivem Sinne ansteckend und ist das Fundament für permanent gelingenden Change.
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